Mein Name ist Bernd Meyer, ich war Lebensmittelkontrolleur und beschäftige mich seit Jahren mit dem Themenkomplex Gewährleistung der Nichtunterbrechung der Kühlkette durch
produktgerechte Kälte in der Kühlluft beim Temperaturverlauf zur gesicherten Einhaltung von Temperaturwerten von Mindest- und Höchsttemperatur kühlpflichtiger Lebensmittel
Grundsätzliches zum Thema Lebensmittelsicherheit und Temperaturen entlang der Kühlkette
Lebensmittelunternehmer (Hersteller, Handel, Handwerk, Einzelhandel) entwickeln Hygienestrategien zur
temperaturgebundenen Lebensmittelsicherheit kühlpflichtiger Lebensmittel entlang der Kühlkette. Gewährleistet wird die Lebensmittelsicherheit durch geeignete Betriebsstätten und
temperaturtaugliche Kühleinrichtungen. Geeignet ist eine Betriebsstätte durch qualifizierte erfüllte systembezogene Voraussetzungen entsprechend den Vorgaben des
Lebensmittelrechts, Regelungen einschlägiger technischer Normen und den klassifizierten Merkmalen der Kühleinrichtungen. Das Regelwerk des Klassifizierungssystem hat temperaturgebundene
Hygieneforderungen zu berücksichtigen. Kühlsysteme verfügen über risikoanalysierte geeignete Sollwerte der Temperaturregelungen und einen risikoorientierten Temperaturmittelwert zur
qualifizierten Steuerung der drei Kühlphasen. Beim Lebensmittelunternehmer als Betreiber von Kühleinrichtungen muss das Wissen über systembedingte betriebliche Voraussetzungen zur
Gewährleistung eines sachgerechten Umgangs mit dem Betriebsmittel Kühleinrichtung vorliegen.
1. Eine ständige Produkttemperaturerfassung (Kerntemperatur) ist eine zerstörrende Messung, sie ist unwirtschaftlich und für eine ständige Durchführbarkeit nicht praxistauglich. Durch dauerhaftes
erfassen von Temperaturwerten vom Temperaturverlauf von einem risikoreichen Messpunkt z. B. im Bereich der Rückluft im Warenpräsentationsbereich von Verkaufskühlmöbeln kann ein
Nachweis vom Temperaturgeschehen erstellt werden.
2. Bei der Erfüllung der temperaturgebundenen Sicherheit von kühlpflichtigen Lebensmitteln geht es um die richtige Auswahl geeigneter Kühleinrichtungen und die Beherrschbarkeit von Kühlsystemen,
eines sachgerechten Umgangs mit Kühleinrichtungen und um das Wissen über die Ursachen von Verursachern von Temperaturerwärmungen bei der Kühlluft und den Lebensmitteln. Durch das Wissen können
Betreiber von Kühleinrichtungen zielgerichtet präventive Maßnahmen ergreifen, um die Sorgfaltspflicht zur Einhaltung von Temperaturforderungen kühlpflichtiger Lebensmittel einzuhalten.
3. Temperaturbasierte Sicherheit verlangt harmonisierende (passende) Temperaturwerte bei der praxisorientierten Klassifizierung der Temperaturklasse von
Kühleinrichtungen, den Temperaturforderungen von Mindest- und Höchsttemperatur kühlpflichtiger Lebensmittel und bei den Temperaturregelungen zur Kälteeinstellung am Einsatzort durch den
Lebensmittelunternehmer als Betreiber von Kühleinrichtungen.
Fachliche Informationen (Schwerpunkt risikoreichster Prozess Verkaufskühlmöbel)
- Temperaturwert
Es ist nicht möglich, bei einem pluskühlpflichtigen Lebensmittel die Kälte im
Lebensmittel in einem Verkaufskühlmöbel mit einem Temperaturwert an allen Stellen gleich zu sichern, d. h. vom Kern bis zu den Randschichten. Daher ist der
Temperaturwert der Höchsttemperatur ein Temperaturgrenzwert. Die wellenförmig verlaufenden Temperaturwerte beim Temperaturgeschehen (-verlauf) sind ständig aufgrund der sich
verändernden Kühlphasen in Bewegung, daher können Temperaturwerte bis zur Höchsttemperatur und darüber im Lebensmittel vorliegen und gemessen werden.
- Produkttemperatur
Produkttemperatur (siehe hierzu auch „Kerntemperatur“) ist die Temperaturforderung pluskühlpflichtiger Lebensmittel. Vom Lebensmittelhersteller werden Temperaturwerte für die
Temperaturforderungen Mindest- und Höchsttemperatur angegeben. Das Lebensmittel ist das Messmedium.
- Kerntemperatur
Kerntemperatur (steht für „Produkttemperatur“) wird verwendet in der VO (EG) Nr.
853/2004 und der Tier-LHHV, jeweils im Zusammenhang mit Hackfleisch und Fleischerzeugnissen. Definition in einer Vorgängerversion der DIN 10508 (Stand: März 2012): Der
Begriff „Produkttemperatur“ entspricht dem in der VO (EG) Nr. 853/2004 verwendeten Begriff „Kerntemperatur“.
- Lagertemperatur
Die Umgebungsluft bei den Lebensmitteln ist das Messmedium. In Verbindung mit
der
- Höchsttemperatur eines pluskühlpflichtigen Lebensmittels gibt sie Auskunft über den höchsten (wärmsten) Temperaturwert der „Nie-wärmer-als“-Temperatur
in der Kühlluft (Höchsttemperatur 7-Grad verlangt wärmste Lagertemperatur 6-Grad)
- Mindesttemperatur eines pluskühlpflichtigen Lebensmittels gibt sie Auskunft über den tiefsten (kältesten) Temperaturwert der „Nie-kälter-als“-Temperatur
in der Kühlluft (Mindesttemperatur 2-Grad verlangt kälteste Lagertemperatur 3-Grad).
Der Messort und die Kühlphase bestimmen den Temperaturwert
der Lagertemperatur. Der Temperaturwert der Lagertemperatur in der Kühlluft unterliegt durch die drei Kühlphasen ständig Veränderungen. Die ständig verändernden Temperaturwerte vom Temperaturverlauf
verlaufen daher nicht gradlinig, sondern wellenförmig. Es gibt kalte und warme Messorte und Messzeiten. Kälte ist nicht homogen im Kühlbereich verteilt und zeitlich unterschiedlich vorhanden.
Nachfolgend zwei Definitionen:
- Definiton BgVV: „Die Lagertemperatur (L) ist die Höchsttemperatur, bei der kühlbedürftige
Lebensmittel bis zur Abgabe an den Verbraucher aufzubewahren sind bzw. aufbewahrt werden sollten“.
- Definition DIN 10508 (Stand: 2022-03): Lufttemperatur, bei der
Lebensmittel gelagert werden.
Es gilt der Grundsatz, dass der kältetechnisch eingestellte Temperaturwert der
Lagertemperatur (Kälte in der Kühlluft) tiefer ist als der Temperaturwert Höchsttemperatur der Lebensmittel. Beständig müssen tiefere (kältere) Temperaturen in der Kühlluft die
bestehende Kälte im Lebensmittel bewahren.
Der eingestellte Temperaturwert einer „tieferen Temperatur“ bei der
Lagertemperatur ist ein temperaturgeregelter systemrelevanter Sicherheitsstandard und ein Element zur Gewährleistung der Einhaltung der Höchsttemperatur von pluskühlpflichtigen Lebensmitteln. Dieser
Sachverhalt steht im engen Kontext mit der Solltemperatur des Temperaturmittelwerts.
- Temperaturdifferenzen /
Temperaturunterschiede
Temperaturdifferenzen ergeben sich grundsätzlich aus nicht gleichen Messsystemen. Bei
betrieblichen und amtlichen Temperaturkontrollen differieren Temperaturwerte durch die unterschiedlichen Messorte, Messmedien, Messgeräte und Messzeiten bei den Temperaturwerten
- auf Temperaturanzeigen von Verkaufskühlmöbeln
- von Lebensmitteln und Temperaturüberwachungsprogrammen
- der Temperaturdaten in der Temperaturdokumentationen.
- Mindest- und Höchsttemperatur
Der Begriff „Höchsttemperatur“ reflektiert nicht alle Temperaturbereiche der Temperaturforderungen pluskühlpflichtiger Lebensmittel. Deklariert ist noch die Temperaturforderung „Mindesttemperatur“.
Die Temperaturwerte pluskühlpflichtiger Lebensmittel sind vom Lebensmittelhersteller
analysierte und gekennzeichnete Mindest- und Höchsttemperaturen. Die risikoorientiert eingestellte Kältesteuerung der drei Kühlphasen hat daher mit darauf eingestellten
Temperaturwerten bei den Temperaturregelungen zu arbeiten.
Der Temperaturwert der Mindesttemperatur ist die Temperaturgrenze „nie
kälter als“ für die Kälte in der Kühlluft. Sie garantiert bei Beachtung die Produktqualität (z. B. Mindesttemperatur + 2°C erfordert Temperaturgrenze nie kälter als + 3°C).
Der Temperaturwert der Höchsttemperatur ist die Temperaturgrenze „nie
wärmer als“ in der Kälte der Kühlluft. Sie garantiert die Lebensmittelsicherheit und Verkehrsfähigkeit pluskühlpflichtiger Lebensmittel bis zur angegebenen Haltbarkeit (z. B. Höchsttemperatur + 7°C
erfordert Temperaturgrenze nie wärmer als + 5°C).
- Temperaturverlauf
Temperaturverlauf ist die zeitliche Auskunft über Temperaturwerte der Kälte
in der Kühlluft aus dem Kühlbereich der Lebensmittel. Die zeitliche Auskunft erlaubt Aussagen über geeignete oder ungeeignete Temperaturwerte in der Kühlluft. Sie ist ein systembezogener
Temperaturwert. Die Zeittaktung der Erfassung von Temperaturwerten beträgt i. d. R. zwischen 1 bis 15 Minuten. Der wellenartige Temperaturverlauf wird in einem
Temperaturdiagramm nachvollziehbar dargestellt.
- Temperaturregelungen des Temperaturmittelwerts und der drei Kühlphasen
sind systemrelevante kältetechnische Voraussetzungen
Temperaturregelungen gehören zu den systemrelevanten betrieblichen Voraussetzungen, d. h.
die risikoorientierten Einstellparameter des Kühlsystems vom Temperaturmittelwert und von den drei Kühlphasen der Verkaufskühlmöbel ermöglichen kältetechnisch produktgerechte Lagerbedingungen von
pluskühlpflichtigen Lebensmitteln. Sie regeln den Temperaturverlauf der drei Kühlphasen (Betriebszustände) „an“ – „aus“ – „Abtauung“. Diese Betriebszustände sind ausgerichtet auf einem
risikoorientiert analysierten Temperaturmittelwert, d. h. den Sollwert des Temperaturverlaufs. Alle Temperaturbewegungen im Zusammenhang mit „an – aus – Abtauung“ bewegen sich
zu diesen Temperaturmittelwert zurück.
Temperaturgrenzwerte der Temperaturspitzen vom Temperaturverlauf – nach oben wie nach unten
- haben die Temperaturwerte der Mindest- und Höchsttemperaturen der Lebensmittel einzuhalten und sind risikoorientiert eingestellt und mit einer zeitlichen Begrenzung mit einem Temperaturgrenzwert
festgelegt. Die Werte der Einstellparameter haben die geltenden Anforderungen kälte-, regel-, lüftungs- und messtechnischer Grundsätze zur Gewährleistung dauerhafter produktgerechter Lagerbedingungen
zu erfüllen. Die Einstellparameter der Temperaturregelungen sind Bestandteil des Temperaturmanagementsystems.
- Temperaturerwärmungen in der Kühlluft und im
Lebensmittel
Fehlende und/oder nicht korrekte betriebliche Voraussetzungen sind Störfaktoren und erwärmen
die Kälte in der Kühlluft. Manche Störfaktoren ragen in den Kühlluftstrom und behindern/stören die Kühlstrecke des Kühlluftstroms. Ausgelöst werden weitere Temperaturerwärmungen in der Kühlluft und
im Lebensmittel. Sie verursachen dauerhaft, beständig sich wiederholend, sporadisch zusammen oder einzeln jeden Tag Temperaturerwärmungen. Messtechnisch sind sie nicht erfassbar, weil
Messorte im Kühlbereich der Lebensmittel fehlen.
Temperaturerwärmung bei pluskühlpflichtigen Lebensmitteln in der Warenpräsentation erfolgt
auf zwei Wegen
- indirekt über Kontakt mit erwärmter Kälte in der Kühlluft und/oder
- direkt bei der Kälte im Lebensmittel durch Wärmequellen in der Umgebung.
„Qualität von Temperaturerwärmungen“
Der Umfang (einzelne bis alle Lebensmittel), die Höhe (bis
zu +20°C) und die Dauer (Minuten bis Stunden) sämtlicher Temperaturerwärmungen in der Kühlluft und in den Lebensmitteln hängen von den örtlichen Bedingungen, den jeweiligen
Verkaufskühlmöbeln, dem Aufbau der Warenpräsentation, den Temperaturregelungen, den Temperaturmittelwert und von den sensiblen und empfindlichen leicht und sehr leicht verderblichen Lebensmitteln
ab.
Temperaturerwärmungen im Kühlbereich von Verkaufskühlmöbeln sind in ihrer Auswirkung in
der Kühlluft (Lagertemperatur) und im Lebensmittel (Produkttemperatur) nie gleich, können punktuell oder im ganzen Kühlbereich auftreten oder nur die vorderen Verpackungen betreffen. Betriebliche
Gegenmaßnahmen werden nicht ergriffen.
Es gilt der kältetechnische Grundsatz über Verkaufskühlmöbel, dass aufgrund äußerer
und innerer Einflüsse auf die Kühlluft (Lagertemperatur) und die Lebensmittel (Höchsttemperatur) die Temperaturwerte nicht gleich sind (siehe Vorgänger DIN 10508, Stand März 2019, Nr.
4.5).
Durch fehlende Messstellen im Kühlbereich der Warenpräsentation werden dort auftretende
Temperaturerwärmungen bei der Kälte der Kühlluft nicht erfasst, nicht erkannt, nicht dokumentiert.
10. Definitionsbeispiel einer temperaturgebundenen nachteiligen
Beeinflussung
„Werden in einer aufgrund unerfüllter und/oder nicht korrekter
betrieblicher Voraussetzungen in einer dadurch nicht qualifizierten Betriebsstätte (einschl. Verkaufskühlmöbel), die nicht den für ständige Einrichtung geltenden Anforderungen für die Gewährleistung
der Nichtunterbrechung der Kühlkette entspricht, gewerbsmäßig pluskühlpflichtige Lebensmittel bei nicht gewährleisteter qualifizierter Kälte in der Kühlluft für produktgerechte Lagerbedingungen zum
Verkauf angeboten und verkauft, so sind die betroffenen Lebensmittel dem Risiko einer konkreten Gefahr einer temperaturgebundenen nachteiligen Beeinflussung von Temperaturerwärmungen über den
Höchsttemperaturen, ausgelöst durch Kontakt mit erwärmter Kälte in der Umgebungsluft, im Kühlbereich der Lebensmittel täglich ausgesetzt.“